Am 10. und 11. Januar 2015 traten zwei EU-Verordnungen inkraft, die die Vollstreckung von Entscheidungen in anderen Mitgliedsstaaten erheblich erleichtern sollen.
1. EU-Verordnung 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Am 12. Dezember 2012 erließen das Europäische Parlament und der Rat die Verordnung 1215/2012, die am 10. Januar 2015 inkraft trat. Sie soll laut Erwägungsgrund 1 die Regelungen aus Verodnung 44/2001 erweitern und diese somit ablösen. Laut letzterer Verordnung wurden Entscheidungen, welche in einem Mitgliedsstaat ergangen sind auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anerkannt, ohne dass ein darauf bezogenes Verfahren notwendig ist. Für die Vollstreckung dieser Entscheidungen in anderen Mitgliedsstaaten war bisher jedoch eine sogenannte Vollstreckbarerklärung des Staates, in dem die Erklärung vollstreckt werden sollte, nötig. Diese musste vom Berechtigten kostspielig und unter hohem Zeitaufwand beantragt werden.
Dieses Verfahren soll mit Inkrafttreten der neuen Verordnung 1215/2012 nun abgeschafft werden. So heißt es in Erwägungsgrund 26 der Verordnung:
“[…] Außerdem rechtfertigt die angestrebte Reduzierung des Zeit- und Kostenaufwands bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten die Abschaffung der Vollstreckbarerklärung, die der Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat bisher vorausgehen musste. Eine von den Gerichten eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung sollte daher so behandelt werden, als sei sie im ersuchten Mitgliedstaat ergangen”
Durch diese Änderung sollen künftig bis zu 48 Millionen Euro jährlich eingespart werden, denn bei den ca. 10.000 Vollstreckbarverfahren pro Jahr fielen bei jedem Verfahren zwischen 2000 Euro und 12.700 Euro für Anwaltsgebühren, Übersetzungskosten und Steuern an.
Weiterhin sollen durch die neue Verordnung Verbraucher geschützt werden, die Produkte kaufen, welche innerhalb der Europäischen Union von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat vertrieben werden. Verbraucher sollen hier nun das Gericht des Mitgliedsstaates, in dem sie wohnen, anrufen können und müssen sich nicht mehr an ein Gericht außerhalb der EU wenden. Auch Arbeitnehmer, die in der EU für einen Arbeitgeber mit Sitz außerhalb der Europäischen Union arbeiten, sollen diesen künftig vor dem Gericht des Landes, in dem sie arbeiten, verklagen können.
2. EU-Verordnung 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmenin Zivilsachen
Auch in der Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen geht es um die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in den anderen Mitgliedsstaaten der EU.
Speziell betrifft die Verordnung den Schutz für Gewaltopfer. So heißt es in Erwägungsgrund 6:
“Diese Verordnung sollte für Schutzmaßnahmen gelten,die angeordnet werden, um eine Person zu schützen, wenn es ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass das Leben dieser Person, ihre körperliche oder psychische Unversehrtheit, ihre persönliche Freiheit, ihre Sicherheit oder ihre sexuelle Integrität in Gefahr ist, beispielsweise zur Verhütung jeder Form von geschlechtsbezogener Gewalt oder Gewalt in engen Beziehungen wie körperliche Gewalt, Belästigung, sexuelle Übergriffe, Stalking, Einschüchterung oder andere Formen der indirekten Nötigung.”
Durch die Verordnung soll das Recht der Unionsbürger, sich frei im Hoheitsgebiet der Europäischen Union zu bewegen und aufzuhalten sichergestellt werden, ohne dass der Schutz aus oben genannten Maßnahmen für diesen Bürger verloren geht.
Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Mitgliedsstaat, in dem die Maßnahme vollstreckt werden soll, solch eine Art von Maßnahmen überhaupt kennt. Es reicht aus, dass der ursprüngliche Mitgliedsstaat die Maßnahme wirksam erlassen hat. Gemäß Art. 13 Abs. 3 der Verordnung darf kein Mitgliedsstaat die Vollstreckung der Maßnahme ablehnen, weil sie in seinem eigenen Recht nicht existiert.